Spuren von Pflanzenschutzmitteln aus Südtirol im Schweizer Münstertal – Grund für Alarm?

Im italienischen Südtirol wird seit jeher ein intensiver Obstanbau betrieben. Etwa 10% aller europäischen Äpfel stammen aus dieser Region. Eine Studie im Auftrag des kantonalen Amts für Natur und Umwelt Graubünden hat jetzt winzige Mengen von Pflanzenschutzmitteln wenige Kilometer weiter im Schweizer Münstertal in der Luft gemessen. Diese Kleinstmengen wurden wahrscheinlich durch den Wind über die Grenze verfrachtet. Nicht zufälligerweise haben diese Studie Autoren aus Deutschland verfasst, denn sie verfolgen transnationale, politische Ziele. Die Absicht ist klar: Den vollständigen Verzicht auf Pflanzenschutzmittel. Die minimalen gefundenen Mengen geben allerdings keinen Anlass zur Besorgnis.
Das «Umweltinstitut München» ist nicht etwa ein unabhängiges Forschungsinstitut, wie der Name vermuten lassen könnte, sondern eine professionelle Umweltorganisation mit rein politischen Absichten. Diese finanziert ihre Kampagnen vor allem durch Spendengelder und bewirtschaftet entsprechend Themen, die in der Öffentlichkeit Aufmerksamkeit und Skandalisierung schaffen sollen, mit dem Ziel, Unsicherheiten und Besorgnis in Gesellschaft, Politik und Verwaltung zu fördern. Beliebte Themen des letztlich nicht seriös wissenschaftsbasiert arbeitenden «Forschungsinstituts» sind daher Atomkraft, Gentechnik, Insektensterben und selbstverständlich Pflanzenschutzmittel, in deren Sprachgebrauch als «Pestizide» bezeichnet.
In den letzten Jahren hatte das selbst ernannte «Umweltinstitut» mit wenig aussagekräftigen Messungen den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln im Südtirol angeprangert. Dass das Bündner Amt für Natur und Umwelt ANU daraufhin das Umweltinstitut beauftragte, auch im unmittelbar benachbarten Münstertal entsprechende Messungen zu organisieren, ist demokratiepolitisch heikel.
Die Resultate wurden nun präsentiert und sind wenig überraschend: auch in der Schweizer Luft wurden Kleinstspuren verschiedener Pflanzenschutzmittel aus dem Obstanbau entdeckt, die vermutlich vom Wind aus dem Südtirol über die Grenze ins benachbarte Graubünden verweht wurden.
Das Umweltinstitut weist in seiner Medienmitteilung darauf hin, dass die gefundenen Wirkstoffe «unter anderem vermutlich die Fruchtbarkeit schädigen, Krebs und Allergien auslösen oder Organe schädigen können» und ausserdem die Umwelt gefährden könnten. Was die «Wissenschafter» nicht erwähnen ist, dass das von Ihnen verwendete Messverfahren gänzlich ungeeignet ist, um seriöse Aussagen zu einer möglichen Gesundheits- oder Umweltgefahr zu machen, weil es gar keine Informationen darüber liefert, in welchen Mengen die Substanzen in der Umwelt vorkommen.
Für die Messungen wurden sogenannte Passivsammler an der Grenze zwischen der Schweiz und Italien sowie in einigen Kilometern Abstand in bewohntem Gebiet aufgestellt. Diese einfachen Geräte enthalten Scheiben aus einem Polyurethan-Schaumstoff, an dem Staub und andere Substanzen aus der Luft hängenbleiben. Die Schaumstoffscheiben wurden alle drei Wochen erneuert, so dass zwischen April und November zehn Proben pro Standort genommen wurden. Aus dem Schaumstoff wurden anschliessend alle aus der Luft gebundenen Substanzen extrahiert und analysiert, dabei wurden die empfindlichen Messgeräte gezielt zur Suche nach Pflanzenschutzmittel-Wirkstoffen eingestellt. Sprich: Wer lange sucht, wird endlich finden. Und tatsächlich fanden sich Spuren von zehn Pflanzenschutz-Wirkstoffen in den Sammlern direkt an der Grenze, nur wenige Kilometer weiter im Münstertal sanken Zahl und Mengen der Pflanzenschutzmittel bereits deutlich.
Wie relevant sind nun diese Beobachtungen? Dass mit hochempfindlichen Nachweisverfahren Pflanzenschutz-Substanzen auch in einiger Entfernung von ihrem Anwendungsort nachgewiesen werden können, ist weder eine neue Erkenntnis noch erstaunlich. Auch die Tatsache, dass die gefundenen Mengen sehr niedrig ausfallen. Von der in den grössten Mengen gefundenen Substanz, dem auch in der Schweiz zugelassenen Fungizid Captan, hatten sich während der fast sieben untersuchten Monate am Messpunkt an der Grenze in den zehn Schaumstoff-Scheiben insgesamt etwa 2.2 Mikrogramm (=Millionstel Gramm) angesammelt. Die toxikologisch bestimmte täglich zulässige Aufnahmemenge mit der Nahrung (ADI), bei der keine gesundheitlichen Beeinträchtigungen zu erwarten ist, beträgt für eine 60 kg schwere Person 6 Milligramm (=Tausendstel Gramm) Captan pro Tag. Das bedeutet, dass man ohne Gesundheitsgefahr durch das Pflanzenschutzmittel Captan über 25’000 der belasteten Schaumstoff-Messfilter verzehren könnte – und das jeden Tag.
Dieses Rechenbeispiel zeigt, wie weit die gefundenen Mengen von einer Relevanz für die Gesundheit von Menschen und Tieren entfernt sind. Deshalb sind auch genauere Schlussfolgerungen mit der verwendeten Messmethode nicht möglich, da nicht bekannt ist, in welchem Zusammenhang die Menge monatelang in Filterscheiben gesammelter Wirkstoffe mit den tatsächlichen Konzentrationen der Wirkstoffe in der Umwelt und der Aufnahme durch Menschen, Tiere oder Pflanzen stehen. Ohne diese Informationen sind auch Aussagen über mögliche Auswirkungen nicht möglich. Der Bericht gaukelt daher mit seinen Messergebnissen eine wissenschaftliche Genauigkeit vor, die ohne Relevanz für die Praxis ist.
Auch in Deutschland veröffentlichte das «Umweltinstitut München» kürzlich eine weitere Studie, die mit ähnlichen Methoden aufzeigen sollte, dass Pflanzenschutzmittel in der Umwelt weit verbreitet sind. Wie auch in der Studie aus der Schweiz finden sich darin kaum relevante Zahlen und Messwerte. Ziel ist auch hier vor allem, durch Beunruhigung der Bevölkerung politischen Druck zu erzeugen und so Verbote von Pflanzenschutzmitteln zu erwirken. Dass sich Verwaltungen wie das kantonale Amt für Natur und Umwelt Graubünden vor den Karren von einseitig ausgerichteten Umweltschutzorganisationen einspannen lassen, sollte politisch wie gesellschaftlich aufhorchen lassen.
Weitere Informationen
- Pestizide aus Südtirol belasten Luft in der Schweiz, Medienmitteilung Umweltinstitut München e. V., 06.10.2020
- Vom Winde verweht – Messung von Pflanzenschutzmitteln in der Luft im Münstertal (2019), Amt für Natur und Umwelt ANU Graubünden, September 2020
- Pflanzenschutzmittel in der Luft: Der Elfmeterpunkt (Bericht zu Messungen in Deutschland), agrarheute.com, 08.10.2020
- Abdrift, Verflüchtigung und Verfrachtung von Pestiziden: Gesundheitliche Beeinträchtigungen sind bei sachgerechter und bestimmungsgemäßer Anwendung unwahrscheinlich, Mitteilung Nr. 045/2020 des Bundesinstituts für Risikobewertung BfR (D), 29.09.2020