Den Bauern fehlen zunehmend Mittel für den wirksamen Pflanzenschutz
Der wirksame Schutz der Kulturen von Krankheiten und Schädlingen ist unerlässlich für den nachhaltigen Pflanzenbau, da sonst Ernteverluste und Qualitätseinbussen drohen. Allerdings wird der Werkzeugkasten der Landwirte für den Pflanzenschutz immer mehr ausgedünnt, in vielen Fällen stehen keine effizienten Schutzmassnahmen mehr zur Verfügung. Das gefährdet die lokale Produktion hochwertiger Lebensmittel.
Konsumentinnen und Konsumenten haben hohe Erwartungen an die Qualität und Verfügbarkeit lokaler landwirtschaftlicher Produkte. Andererseits wird der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zunehmend kritisch beurteilt. Obwohl die Landwirtschaft beim Pflanzenschutz schon lange auf vorbeugende Massnahmen setzt und Pflanzenschutzmittel nur nach dem Motto «So wenig wie möglich – so viel wie nötig» einsetzt, wurden 2017 im Rahmen des nationalen Aktionsplan Pflanzenschutz weitere Massnahmen verabschiedet, um mögliche Risiken der Anwendung von Pflanzenschutzmitteln zu reduzieren. Zusätzlich hatte der Bundesrat 2022 aufgrund der parlamentarischen Initiative 19.475 «Das Risiko beim Einsatz von Pestiziden reduzieren» im Rahmen eines Verordnungspaketes einen Absenkpfad für die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln verankert.
Über 200 Pflanzenschutz-Wirkstoffe haben seit 2005 ihre Zulassung in der Schweiz verloren. In vielen Fällen fehlen allerdings wirksame Alternativen. Die wenigen neu zugelassenen Produkte reichen nicht aus, um die entstehenden Lücken zu schliessen. Für die Behandlung vieler Kulturen wird so die Auswahl der Pflanzenschutzmittel immer mehr eingeschränkt. Ohne Wahlmöglichkeit sind die Landwirte gezwungen, immer wieder die gleichen Mittel einzusetzen. Das ist problematisch, weil es die Entwicklung von Resistenzen bei Schädlingen und Krankheitserregern fördert.
Besonders schwierig wird es, wenn bei manchen Kulturen gar keine geeigneten Mittel mehr zur Verfügung stehen, um sie gegen spezifische Bedrohungen zu schützen.
Für wichtige Nutzpflanzen fehlen inzwischen die Schutzmöglichkeiten. So sind Kartoffeln Schäden durch Drahtwürmer ausgesetzt, die wenig appetitliche Spuren in den Knollen hinterlassen und einen Teil der Ernte so unverkäuflich machen. Bei den Zuckerrüben verursacht der Erdfloh Frassschäden an den jungen Blättern und schmälert dadurch die Erträge, und Blattläuse übertragen den Erreger der virösen Vergilbung. Beim Raps fressen die Larven des Stängelrüsslers von innen an den Pflanzenstängeln und stören so das Pflanzenwachstum. Aber die Liste der Kulturen mit fehlenden Schutzmöglichkeiten ist noch wesentlich länger. Karotten werden durch Gallnematoden bedroht, der Stangensellerie durch Spinnmilben und Rosenkohl durch die weisse Fliege. Fast achtzig Kombinationen mit unzureichendem Schutz führt der Schweizer Bauernverband SBV in seinem jährlichen «Lagebericht Pflanzenschutz» auf.
Um bei diesen Kulturen den Anbau in der Schweiz überhaupt noch aufrecht erhalten zu können, müssen jedes Jahr Notfallzulassungen für bestimmte Pflanzenschutz-Präparate beantragt werden. Deren Zahl steigt seit Jahren unaufhaltsam an (siehe Abbildung). Für die nächsten Jahre sind weitergehende Einschränkungen für Pflanzenschutzmassnahmen vorgesehen. Zugleich stauen sich rund 700 Zulassungsgesuche für Pflanzenschutzmittel bei den Behörden.
Der SBV kritisiert, dass durch die systematischen Einschränkungen bei der Verfügbarkeit wirksamer Pflanzenschutzmittel ein wirksamer und effizienter Baustein als Teil des Gesamtsystems «Pflanzenschutz» wegfallen wird, ohne dass Alternativen bereitstehen. Aus Optik der pflanzlichen Produktion und der Ernährungssicherheit sei das verantwortungslos. Der SBV fordert daher griffige Massnahmen, um die produktive lokale Landwirtschaft zu erhalten und eine Neuausrichtung der Schweizer Pflanzenschutzmittelpolitik. Dazu gehört für ihn unter anderem die Deblockierung des Zulassungsverfahrens oder eine praxistaugliche Weiterentwicklung des Umwelt-Monitorings.
Weitere Informationen
- Schutz der Kulturen bröckelt, Medienmitteilung des Schweizer Bauernverbands vom 22. August 2023
- Lagebericht Pflanzenschutz 2023, Schweizer Bauernverband
- Factsheet zum Lagebericht Pflanzenschutz 2023, Schweizer Bauernverband
- Bauern bangen um ihre Ernten, Tagesanzeiger, 12.01.2023