Intensive Forschung für den Pflanzenschutz
Die globale Pflanzenschutz-Industrie investiert über 3 Mrd. US$ jährlich in die Entwicklung neuer und verbesserter Wirkstoffe, und leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Nahrungsmittel-Versorgung der Weltbevölkerung. Die Produkte werden immer wirksamer, sicherer und umweltverträglicher. In den letzten Jahrzehnten hat die weltweite Pflanzenschutz-Industrie in vielen Bereichen grosse Fortschritte gemacht. Eine neue Studie des Beratungsunternehmens Phillips McDougall gibt einen Überblick zu den wesentlichen Entwicklungen seit 1960.
Produkt-Vielfalt
In den letzten 50 Jahren haben die grossen Forschungsunternehmen der Pflanzenschutz-Industrie alljährlich etwa 7% – 10% ihres Umsatzes in Forschung und Entwicklung reinvestiert. Dieser Einsatz trägt Früchte: seit 1960 hat sich die Anzahl der verfügbaren Wirkstoffe von ca. 100 auf heute ca. 600 vervielfacht. Viele daraus stammen aus neu entwickelten chemische Gruppen, mit neuartigen Wirkungsmechanismen, und erweitern so das Spektrum für den Pflanzenschutz. Diese Vielfalt ist besonders wichtig, um der Entwicklung von Resistenzen gegen Insektizide, Fungizide oder Herbizide vorzubeugen.
Aufgrund stark gestiegener Anforderungen für die Produktzulassung und der Herausforderungen bei der Suche nach immer neuen Wirkstoffen gelangen allerdings immer weniger neue Wirkstoffe auf den Markt. So wurden in den 2010er Jahren weniger als ein Drittel der Anzahl Wirkstoffe neu zugelassen als in den 1990er Jahren (siehe Abb.). Dazu kommt, dass über die Jahre zahlreiche Produkte wegen strengerer Bestimmungen und Auflagen wieder vom Markt verschwunden sind. So werden in den USA sechs der zehn im Jahr 1968 meist-verkauften Pflanzenschutz-Wirkstoffe nicht mehr eingesetzt. In der EU führte ein strengerer Prozess für die Re-Registrierung von Wirkstoffen im Jahr 1991 dazu, dass die Bewilligung für mehr als die Hälfte dieser Substanzen nicht verlängert wurde.
Trotzdem haben die Investitionen der Pflanzenschutz-Industrie nicht nachgelassen und ermöglichen so weiterhin die Entwicklung innovativer Produkte, wobei das Spektrum nicht nur klassische chemische Pflanzenschutzmittel umfasst, sondern zunehmend auch integrierte Pflanzenschutz-Lösungen, verbesserte Anwendungs-Technologie und Präzisions-Landwirtschaft. Biologische Wirkstoffe spielen dabei eine steigende Rolle: während diese im Jahr 1993 erst 0.4% des Pflanzenschutzmittel-Umsatzes ausmachten, waren es 2016 bereits 5.6%
Wirksamkeit
Die laufenden Forschungsanstrengungen der Industrie haben zu einer steten Verbesserung der Produkt-Wirksamkeit geführt. Landwirte müssen heutzutage auf einer Hektare Ackerfläche wesentlich weniger eines modernen Pflanzenschutz-Wirkstoffs ausbringen, als dies mit herkömmlichen Produkten erforderlich war.
In den 1950er Jahren betrugen die durchschnittlichen Aufwandmengen pro Hektare 1’200 g Wirkstoff bei Fungiziden, 1’700 g für Insektizide und 2’400 g für Herbizide. Nach dem Jahr 2000 sanken die erforderlichen Mengen auf 100 , 40 bzw. 75 g/ha Wirkstoff mit modernen Produkten. Das bedeutet, dass ein Landwirt heutzutage seinen Wirkstoffeinsatz im Vergleich zu den 1950er Jahren um bis zu 95% reduzieren kann.
Steigende Kosten für die Produktentwicklung
In den 1960er Jahren lag der Fokus bei der Entwicklung von Pflanzenschutzmitteln auf der Maximierung des Ertrags für den Landwirt, durch optimale Kontrolle von Unkräutern, Schädlingen und Krankheitserregern. Seither wurden die Zulassungs-Voraussetzungen stetig erweitert und umfassen zunehmend strenge Anforderungen an die Sicherheit für Umwelt und Anwender. Heute müssen für die Zulassung eines neuen Wirkstoffes gegen 150 Studien zum Gefahrenprofil und zur Risikoeinstufung vorgelegt werden, eine enorme Datenmenge. Das verteuert den Aufwand für die Zulassung neuer Wirkstoffe: zwischen 1995 und 2014/19 haben sich die Kosten im Zusammenhang mit der Produkt-Registrierung fast verdoppelt, auf etwa 86 Mio. US$. Das macht ca. 28 % der Kosten für die Entwicklung eines neuen Produktes aus. Die Gesamtkosten für Forschung, Entwicklung und Zulassung stiegen in diesem Zeitraum von 152 Mio. US$ auf 301 Mio. US$. Der wachsende Aufwand schlägt sich auch in einer höheren Zweitdauer nieder: von der ersten Synthese eines neuen Wirkstoffs bis zu seiner Markteinführung vergingen 1995 noch durchschnittlich 8.3 Jahre, mittlerweile dauert dies 12.3 Jahre (2014/19).
Verbesserte Sicherheit
Neue Technologien bei der Produkt-Entwicklung, wie das Hoch-Durchsatz-Screening, ermöglichen es, eine immer grössere Anzahl von Substanzen auf ihre Eignung als Pflanzenschutzmitel zu prüfen. Dabei werden sowohl ihre Wirksamkeit untersucht, als auch mögliche Umwelt- und Gesundheitsauswirkungen. So können neue Wirkstoffe mit immer besseren Kombinationen von Eigenschaften identifiziert werden. Während im Jahr 1995 durchschnittlich 52’000 Substanzen untersucht wurden bis ein neuer Wirkstoff registriert werden konnte, liegt diese Zahl heute bereits bei 160’000.
Aufgrund der gezielteren Entwicklungsarbeiten konnte die akute Giftigkeit von Pflanzenschutz-Wirkstoffen seit den 1960er Jahren um etwa 40% reduziert werden. Zusammen mit der starken Reduktion der Aufwandmenge für die meisten neuen Produkte aufgrund der besseren Wirksamkeit wird so ein deutlich besserer Gesundheitsschutz für Anwender ermöglicht. Auch die Umwelt profitiert von dem grossen Entwicklungs-Aufwand. So weisen neu entwickelte Produkte in der Regel eine geringere Persistenz im Boden auf. Die durchschnittliche Zeit, in der die Hälfte des Wirkstoffs abgebaut wird, betrug in den 1980er Jahren 72 Tage. Bei Wirkstoffen, die nach 2000 eingeführt wurden, ist diese Zeitspanne auf in durchschnittlich 53 Tage reduziert.
Beitrag des Pflanzenschutzes für die Pflanzenproduktion und die Ernährungssicherheit
Die Ernährung der stetig wachsenden Weltbevölkerung ist eine grosse Herausforderung. Im Durchschnitt aller Nutzpflanzenarten sind die Erträge seit 1960 von knapp unter 4 t/ha auf über 6 t/ha heute gestiegen (+60%). Das hat ermöglicht, den Nahrungsbedarf der Menschheit ohne massive Ausweitung der Anbauflächen sicherzustellen. Für manche Grundnahrungsmittel sind die Steigerungen noch eindrucksvoller: bei Reis wurden die Flächenerträge zwischen 1960 und 2016 um das 2.4-fache gesteigert, bei Mais um den Faktor 2.9, bei Weizen gar um das 3.1-fache.
Diese Ertragssteigerungen wurden durch bessere Düngung, besseres Saatgut und verbesserten Pflanzenschutz ermöglicht. Welchen wichtigen Anteil der Pflanzenschutz für die Sicherung der Erträge hat, zeigt die folgende Abbildung: so könnten bei Reis ohne Pflanzenschutz nur etwa 23% der maximal möglichen Erntemenge erzielt werden, mit Pflanzenschutz steigt die tatsächliche Produktion auf 63%, also auf mehr als das 2.5-fache. Bei Mais ermöglicht der Pflanzenschutz mehr als doppelt so grosse Ernten, bei Soja knapp eine Verdoppelung, bei Weizen immerhin eine Steigerung um 44%. Trotzdem geht leider immer noch ein Teil des theoretisch möglichen maximalen Ernteertrags verloren, hier besteht mit verbessertem Pflanzenschutz also noch weiteres Steigerungspotential.
Im Jahr 1960 lebten etwa 3.1 Milliarden Menschen auf der Erde, diesen standen pro Kopf etwa 2’200 Kilokalorien pro Tag zur Verfügung. 2018 betrug die Weltbevölkerung 7.6 Milliarden, die durchschnittliche Kalorienversorgung pro Person stieg auf 2’900 Kcal/d. Auch wenn die verfügbaren Nahrungsmittel noch nicht gleichmässig und gerecht verteilt sind, haben die auch durch den verbesserten Pflanzenschutz ermöglichten Ertragssteigerungen bei den Grundnahrungsmitteln die Nahrungsversorgung der Weltbevölkerung nachhaltig verbessert.