Honigbienen: starke Völkerverluste im Winter 2021/22 trotz Verbot von Neonicotinoiden
Für die Honigbienen war der vergangene Winter schwierig. 21.4% der Völker überlebten ihn nicht. Als Ursache sehen Imker vor allem den nassen und kalten Sommer 2021, durch den sich die Völker nur schlecht entwickeln konnten. Das Verbot von Neonicotinoid-Wirkstoffen für den Pflanzenschutz ab 2013 bringt für die Winterverluste bei Honigbienen keine erkennbare Besserung.
Vor etwa zehn Jahren erreichte die Besorgnis über ein mögliches Aussterben der Honigbienen ihren Höhepunkt. Nach ungewöhnlichen Völkerverlusten in den USA ab 2006 und einigen Jahren mit hohen Winterverlusten in Europa wurde immer wieder vor dramatischen Auswirkungen des «Bienensterbens» auf das gesamte Ökosystem, die menschliche Ernährung und sogar den Fortbestand der Menschheit gewarnt.
Umwelt-Organisationen hatten schnell Pflanzenschutzmittel aus der Klasse der Neonicotinoide als eine der Hauptursachen für Bienenverluste ausgemacht, obwohl die vorgebrachten Belege dafür wenig überzeugend waren. Mit Erscheinen des Films «More than Honey» im Jahr 2012 wuchs jedoch der politische Druck stark, endlich Massnahmen zur Rettung der Honigbienen zu treffen. 2013 wurde in der Schweiz und der EU die Verwendung der wichtigsten Neonicotinoide stark eingeschränkt, und ab 2018 im Freiland ganz verboten.
Für die Landwirtschaft brachte das erhebliche Probleme mit sich. Vor allem in Raps- und Zuckerrübenkulturen traten erhebliche Schäden auf, die durch alternative Pflanzenschutzmassnahmen kaum zu kontrollieren waren. In zahlreichen EU-Ländern wurden daher immer wieder Notfallzulassungen für Neonicotinoid-Wirkstoffe erteilt. Die Schweiz dagegen blieb trotz dringender Bitten aus Landwirtschafts-Kreisen hart und wollte nicht an den Einschränkungen rütteln.
Wirkstoffverbote führen zu keiner erkennbaren Veränderung der Winterverluste
Aber: haben die Wirkstoffverbote den erhofften Nutzen für die Honigbienen gebracht? Die jährlichen gründlichen Erhebungen zur Bienengesundheit und zu den jährlichen Winterverlusten in der Schweiz lassen daran zweifeln. Der Imkerverband BienenSchweiz hat im Jahr 2022 Daten von 1384 Imkern mit 1647 Bienenständen aus der gesamten Schweiz ausgewertet, und die Resultate in der Bienenzeitung veröffentlicht. Die Völkerverluste erreichten im Winter 2021/2022 einen Wert von 21.4%, das sind die stärksten Verluste der letzten zehn Jahre.
Betrachtet man die Winterverluste der letzten 15 Jahre, fallen grosse jährliche Schwankungen auf. Die Einschränkungen für Neonicotinoide Ende 2013 traten erst nach den Einwintern der Völker in Kraft, so dass sich mögliche Auswirkungen ab dem Winter 2014/15 zeigen sollten.
Der Durchschnittswert von 16.3% für die Winterverluste in den sieben Jahren vor den Neonicotinoid-Einschränkungen unterscheidet sich kaum von den 15.9% in den acht Folgejahren. Auch hier gibt es immer wieder Jahre mit hohen Verlusten, wie im vergangene Winter. Für die Honigbienen haben die Einschränkungen und Verbote bei den Pflanzenschutz-Wirkstoffen daher keinen erkennbaren Nutzen gebracht.
Seit Jahren beschreiben Fachleute den Befall der Bienen durch die parasitische Raubmilbe Varroa, zusammen mit weiteren Bienenkrankheiten, als grösstes Problem für die Bienengesundheit. Der nasse und kalte Sommer 2021 hatte zudem durch ein mangelhaftes Nahrungsangebot die Entwicklung der Völker stark beeinträchtigt, so dass sie wenig Widerstandskraft für die Überwinterung hatten. Der Bienengesundheitsdienst berichtet in seinem Jahresbericht 2021 dagegen nur über neun tatsächlich nachgewiesene Fälle von Bienenvergiftungen durch Pflanzenschutzmittel – gegenüber den anderen Belastungen für die Bienengesundheit fällt das kaum ins Gewicht.
Immer mehr Bienenstöcke in Europa
Trotz immer wieder auftretenden Jahren mit hohen Völkerverlusten im Winter sind die Honigbienen als Nutztiere aber nicht in ihrem Bestand gefährdet. Imker kümmern sich sorgfältig um ihr Wohlergehen, und können bei Bedarf Verluste ausgleichen, indem sie bestehende Völker teilen und so vermehren.
Das zeigt die Agrarstatistik der FAO deutlich. Seit Jahren wird ein Wachstum der Anzahl der Bienenstöcke verzeichnet. Zwischen 2009 und 2020 ist die Zahl der Bienenstöcke in Europa um 4 Millionen auf 19.6 Millionen gestiegen(+26%). Die jährliche Honigproduktion schwankt aufgrund der Wettereinflüsse von Jahr zu Jahr, weist aber ebenfalls einen langfristigen Aufwärtstrend auf.
Weitere Informationen
- Starke Zunahme der Winterverluste gegenüber den Vorjahren, Apisuisse Medienmitteilung, 25.05.2022
- Bruno Reihl & Jean-Daniel Charrière, Eine starke Zunahme der Bienenvölkerverluste im Winter 2021/2022, Schweizerische Bienen-Zeitung 06/2022, S. 30-33
- Bericht Bienengesundheit Schweiz 2021, Bienengesundheitsdienst (BGD) / Apiservice, April 2022
- FAOSTAT Live Animals: Beehives; Weltweite Statistik zu Bienenstöcken, FAO
- FAOSTAT Livestock Primary: Honey, natural; Weltweite Statistik zur Honig-Produktion, FAO