Honigbienen: Winterverluste 2018/2019 im üblichen Rahmen, keine Auswirkung des Neonicotinoid-Verbotes erkennbar

Das Phantom des Bienensterbens beunruhigt seit einigen Jahren die Bevölkerung. Um die Honigbienen zu retten, wurden ab 2013 Anwendungen von Neonicotinoid-Pflanzenschutzmitteln verboten. Ein Nutzen für die Honigbienen ist jedoch nicht erkennbar.
Erinnern Sie sich noch? Im Jahr 2012 wurde der Dokumentarfilm «More than Honey» zum erfolgreichsten Schweizer Kinofilm. Er zeichnet ein düsteres Bild der Lebensumstände für die Honigbienen, und warnte vor den katastrophalen Folgen eines weltweiten Bienensterbens. Dabei wurde auch das angebliche Einstein-Zitat «Wenn die Bienen aussterben, sterben vier Jahre später auch die Menschen aus» bemüht. Es gibt allerdings keinen Beleg dafür, dass der berühmte Physiker sich jemals zu diesem Thema geäussert hat.
Obwohl Bienen-Experten stets darauf hinweisen, dass vor allem Schädlinge wie die Varroa-Milbe, Krankheiten und eine Kombination ungünstiger Lebensumstände die Bienengesundheit bedrohten, hatten Umwelt-Organisationen rasch Insektizide als die Hauptschuldigen am Bienensterben an den Pranger gestellt. Vor allem Wirkstoffe aus der Gruppe der Neonicotinoide wurden als Bedrohung für die Honigbienen bezeichnet, obwohl dies kaum durch wissenschaftliche Daten aus dem Freiland belegt werden konnte.
Aufgrund des grossen politischen Drucks wurden in der EU Ende 2013 die Anwendungen von drei Neonicotinoid-Wirkstoffen bei Kulturen, die für Bienen attraktiv sind, untersagt, was zu einem erheblichen Anstieg der Anwendung herkömmlicher Insektizide führte. Die Schweiz zog ebenfalls im Dezember 2013 nach und untersagte die Saatgutbeizung für Raps und Mais mit diesen Wirkstoffen. Ab 2018 wurden in der EU und in der Schweiz alle Anwendungen im Freiland untersagt.
Aber: haben die Wirkstoff-Verbote, die Landwirte vor erhebliche Probleme stellen, ihren ursprünglichen Zweck erreicht und zu einer deutlichen Verbesserung der Bienen-Gesundheit geführt? Es sieht nicht so aus. In der Schweiz werden vom Verband BienenSchweiz (früher VDRB) seit 12 Jahren Umfragen unter Imkern zum Gesundheitszustand der Bienenvölker durchgeführt. Dabei werden auch Daten zu den Winterverlusten erhoben. Im Juni 2019 teilte der Verband mit, dass die Winterverluste 2018/19 nahezu auf Vorjahresniveau lagen. Die detaillierten Resultate wurden zunächst in der nur für Mitglieder zugänglichen BienenZeitung publiziert, und stehen seit Kurzem auch öffentlich zur Verfügung.

Auswirkungen des eingeschränkten Neonicotinoid-Einsatzes in der Schweiz (roter Pfeil) wären seit dem Winter 2014/15 möglich. Gestrichelte Linie: durchschnittliche Winterverlust vor (17.87%, grün) und nach (17.2%, gelb) den Anwendungs-Einschränkungen.
Die Winterverluste 2018/19 für die Schweiz und das Fürstentum Liechtenstein lagen mit 19.5% im Bereich der Vorjahre. Dabei gibt es von Jahr zu Jahr und von Region zu Region deutliche Schwankungen. Das Schweizer Neonicotinoid-Verbot für die Raps- und Mais-Beizung trat erst nach dem Einwintern der Bienen Ende 2013 in Kraft, und konnte sich daher erst auf die Winterverluste 2014/15 auswirken. Es lässt sich allerdings kein erkennbarer Unterschied bei den Winterverlusten vor und nach den Einschränkungen der Neonicotinoid-Anwendungen erkennen. Der Durchschnitt der Verluste der fünf Winter seit 2014/15 beläuft sich auf 17.2%. In den sieben Jahren zuvor, ohne Einschränkungen für die Neonicotinoide, betrugen die Winterverluste 17.87%. Aufgrund der starken jährlichen Schwankungen ist dieser minimale Unterschied ohne Bedeutung. Es scheint daher nicht, dass das Neonicotinoid-Verbot zu einer Verbesserung der Bienen-Gesundheit und zu einer Verminderung der Winterverluste geführt hat. Diese Verluste gehören seit jeher zum Alltag der Imker, und können trotz aufwändiger Hege und Pflege der Honigbienen kaum ganz verhindert werden.
Aber, unabhängig von den Ursachen: wie hat sich das gefürchtete Bienensterben in den letzten Jahren entwickelt? Wenn jedes Jahr etwa eins von fünf Bienenvölkern abstirbt, wie im letzten Winter: wie lange gibt es dann noch Honigbienen? Sind sie nicht nach ein paar Jahren ganz ausgestorben, wie es die schlimmen Prophezeiungen befürchteten? Diese Sorge ist unbegründet. Imker können ihre Volker nach Bedarf wieder rasch vermehren, so dass Winterverluste ausgeglichen werden können. In Europa nimmt die Zahl der Bienenstöcke und die Honigproduktion seit Jahren sogar zu, wie die Statistik der Welternährungsorganisation FAO belegt.
Besonders deutlich ist die stetige Zunahme der Zahl der Honigbienenvölker seit 2009 in Europa um 3 Millionen bis 2017, dem letzten Jahr zu dem Daten vorliegen (+20%). Dieser Aufwärtstrend begann schon deutlich vor «More than Honey» und den Einschränkungen für Neonicotinoide in der EU und in der Schweiz ab Ende 2013. Das Phänomen Bienensterben war bereits damals nur ein Phantom.
Weitere Informationen
- Trotz Hitzesommer liegen die Winterverluste 2018 / 2019 der Bienenvölker in der Schweiz nahezu auf Vorjahresniveau, Apisuisse Medienmitteilung, 04.06.2019
- Winterverluste auf Vorjahresniveau trotz Stress durch heissen Sommer, Schweizerische Bienen-Zeitung 06/2019, S. 15.18
- Neonicotinoid-Verbot: Die EU krebst zurück, BauernZeitung.ch, 16.12.2018
- FAOSTAT Live Animals: Beehives; Weltweite Statistik zu Bienenstöcken, FAO
- FAOSTAT Livestock Primary: Honey, natural; Weltweite Statistik zur Honig-Produktion, FAO