Feuerbrandrobuste Äpfel und andere Neuentwicklungen: Krankheitsresistente Sorten als Basis für den integrierten Pflanzenschutz
Widerstandsfähigkeit gegen Krankheiten und Schädlinge sind wichtige Ziele in der Pflanzenzüchtung, und können den Bedarf an Pflanzenschutzmitteln reduzieren. Allerdings ist die klassische Züchtung oft langwierig, neue Züchtungsverfahren stossen nicht immer auf breite Akzeptanz.
Der integrierte Pflanzenschutz stellt die Grundlage für die nachhaltige Anwendung von Pflanzenschutzmitteln dar: chemische Massnahmen sollen nur dann zur Anwendung kommen, wenn die Kulturen durch vorbeugende oder nicht-chemische Massnahmen nicht ausreichend geschützt werden können. Daher stellt die Entwicklung von krankheitsresistenten oder toleranten Sorten eine wichtige Massnahme auch im Rahmen des Aktionsplans Pflanzenschutzmittel dar, und trägt als eine der präventiven Massnahmen zu der Basis der Pflanzenschutz-Pyramide bei.
Allerdings ist die klassische Pflanzenzüchtung durch Kreuzung aufwändig, und besonders bei langsam wachsenden Kulturen wie Gehölzen auch zeitintensiv.
Viele beliebte Apfelsorten sind sehr anfällig gegen die verheerende, von Bakterien ausgelöste Krankheit Feuerbrand. Da es keine wirksame Behandlung einmal erkrankter Bäume gibt, müssen diese in der Regel gerodet werden – das kann für die Obstbauern enorme Schäden bedeuten. Antibiotika verhindern zuverlässig eine Ansteckung, aber ihr Einsatz in der Umwelt ist unerwünscht. Bewilligungen dafür werden daher äussert restriktiv gehandhabt. An alternativen Vorbeuge-Behandlungen wird intensiv gearbeitet, allerdings sind die Resultate bisher erst durchwachsen.
Im Jahr 1999 entstand in der Forschungsanstalt Agroscope aus der Kreuzung zwischen den Apfelsorten Fuji und Topaz die neue Sorte Ladina. 2004 konnten die ersten Früchte geerntet werden, die bei der Degustation durch ihr besonderes Aroma beeindruckten. Daher wurde die Entwicklung der Sorte weiter verfolgt. Von den Elternsorten hatte Ladina eine geringe Mehltauanfälligkeit und Resistenz gegen Apfelschorf geerbt. Bei der weiteren Prüfung stellte sich heraus, das Ladina – anders als die Elternsorten – auch relativ robust gegen Feuerbrand war. Die Pflanzen können zwar bei starkem Infektionsdruck befallen werden, die Krankheit breitet sich jedoch weniger stark aus. Das ist ein grosser Pluspunkt gegenüber anfälligen, verbreitet angebauten Arten wie dem Gala-Apfel.
Seit 2013 wachsen in mehreren Kantonen der Schweiz über 1000 Ladina-Bäume, inzwischen ist die Sorte marktreif. Es dauerte also fast zwei Jahrzehnte, um diese feuerbrandrobuste Sorte bis zur Marktreife zu entwickeln. Es muss sich noch herausstellen, wie schnell die neue Sorte in den Gestellen der Lebensmittelgeschäfte Fuss fasst – Konsumentinnen und Konsumenten greifen aus Gewohnheit oft zu den Apfelsorten, die ihnen vertraut sind. Es ist also noch nicht klar, ob und wie schnell Ladina trotz der guten Eigenschaften einen Beitrag zum Schutz vor Feuerbrand in der Schweiz leisten wird.
Bei der klassischen Apfelzüchtung werden bei jeder Kreuzung die Erbanlagen der Eltern-Sorten durchmischt. So entstehen neue Kombinationen – es gehen aber auch bewährte und beliebte Eigenschaften verloren. Es ist durch herkömmliche Kreuzung nicht möglich, gezielt nur ein einziges gewünschtes Merkmal zu übertragen.
Mit biotechnologischen Methoden können Resistenzeigenschaften aus Wildsorten einfach und schnell in etablierte Sorten übertragen werden. So werden an der Forschungsanstalt Agroscope in Reckenholz bei Zürich seit 2016 cisgene Apfelbäume der beliebten Sorte Gala Galaxy im Freiland geprüft, die ein Wildapfel-Resistenzgen tragen. Laborversuche hatten zuvor gezeigt, dass diese Pflanzen eine hohe Resistenz gegen Feuerbrand aufweisen. Auch mit neuen, innovativen Verfahren der Pflanzenzüchtung wie dem Genome Editing lassen sich in sehr kurzer Zeit krankheitsresistente Pflanzen entwickeln, ohne die übrigen gewünschten Pflanzeneigenschaften bewährter Sorten zu verändern – zum Beispiel mehltauresistenter Weizen, pilzresistente Tomaten oder virusresistente Gurken.
Während diese biotechnologischen Verfahren der Pflanzenzüchtung in vielen Ländern ausserhalb Europas intensiv genutzt werden und als grosses Potential für eine nachhaltigere Landwirtschaft gesehen werden, ist noch nicht klar ob und wann die so erzeugten Pflanzensorten in der Schweiz und in Europa zum Einsatz kommen. Konsumenten reagieren oft verunsichert, wenn neuartige Züchtungsmethoden eingesetzt werden. Ironischerweise ist die Ablehnung moderner Züchtungsverfahren für die Entwicklung krankheits- und schädlingsresistenter Nutzpflanzen, mit einem reduziertem Bedarf an Pflanzenschutzmitteln, bei Personenkreisen besonders hoch, die auch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln entschieden ablehnen. Das erschwert in der Schweiz und in Europa die schnelle Entwicklung von krankheits- und schädlingsresistenten Pflanzen, die eigentlich eine der wesentlichen Grundlagen des integrieren Pflanzenschutzes sein könnten.
Weitere Informationen
- Neue Obstsorten sind marktreif, AgroSCOPE – Online-Magazin und Jahresbericht (2018), Mai 2019
- Ladina – die robuste, rote, saftige und aromatische Schweizer Apfelsorte, Agroscope Medienmitteilung, 12.09.2018
- Lucie Leumann et al. 2013, Ladina, die neue feuerbrandrobuste Apfelsorte, Schweizer Zeitschrift für Obst- und Weinbau 1/13:10-13
- Cisgene Apfelbäume mit verbesserter Resistenz gegen Feuerbrand, Agroscope Projektseite
- Newsletter «InterNutrition POINT – Aktuelles zur grünen Biotechnologie»