Breite Ablehnung der extremen Agrarinitiativen an der Urne
Das Resultat ist deutlich: mit über 60% Nein-Stimmen wurden am Abstimmungssonntag 13. Juni 2021sowohl die Trinkwasser- als auch die Pestizidinitiative verworfen. Für einmal waren sich auch fast alle Kantone einig in ihrer Rückweisung der Volksinitiativen, die massive Auswirkungen auf die Landwirtschaft gehabt hätten. Der laufende Prozess der Risikoreduktion bei Pflanzenschutz-Anwendungen wird fortgeführt.
Das Streben nach einer nachhaltigen Landwirtschaft, die gesunde Lebensmittel mit möglichst wenigen nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt produziert, wird breit geteilt. Allerdings gibt es unterschiedliche Ansichten, wie man diesem Ziel noch näherkommen kann. Die beiden Agar-Initiativen wollten diesen Weg mit massiven Einschränkungen des landwirtschaftlichen Handlungsspielraums beim Pflanzenschutz unterstützen.
Die Anliegen der Initiativen wurden zunächst verbreitet befürwortet. Je näher der Abstimmungs-Termin rückte, desto deutlicher wurden für die Stimmbürger aber die massiven nachteiligen Auswirkungen auf die Landwirtschaft, und die zahlreichen von den Initianten nicht immer bedachten Nebenwirkungen. Beide Initiativen hätten sich nachteilig auf die landwirtschaftliche Produktivität im Inland ausgewirkt, und so Preise und Importe in die Höhe getrieben. In verschiedenen Bereichen wären die erhofften positiven ökologischen Folgen ins Gegenteil umgeschlagen, eine zunehmende Verlagerung der Produktion in das Ausland hätte unter dem Strich eine grössere Umweltbelastung bewirkt. Die Trinkwasser-Initiative hätte zudem vielen Bio-Bauern den Pflanzenschutz erschwert oder unmöglich gemacht, da auch diese auf wirksame Pflanzenschutzmittel angewiesen sind. Völlig praxisferne Anforderungen der Trinkwasser-Initiative, wie das Verbot des Futter-Zukaufs, zeigen zudem, dass die Initianten kaum Ahnung von der landwirtschaftlichen Realität haben, und so mit ihrem vorgeschlagenen Initiativtext die Existenzgrundlage zahlreicher Bauernhöfe gefährdeten.
Ein intensives Engagement der Landwirtschaft zeigte der Bevölkerung klar auf, wie bedrohlich die extremen Agrar-Initiativen für die lokal produzierende Landwirtschaft waren. Kaum ein Hof, auf dem nicht die «2 x Nein» – Plakate hingen. Die zukunftsträchtige Entscheidung trug zu der ungewöhnlich hohen Abstimmungs-Beteiligung von fast 60% bei. Und es kam zu einem selten einmütigen Entscheid in der ganzen Schweiz: in allen Kantonen, bis auf den Halbkanton Basel-Stadt, wurden beide Initiativen abgelehnt. Für die Trinkwasser-Initiative ergab sich insgesamt ein Ja-Stimmenanteil von 39.3%, für die Pestizidinitiativen von 39.4%. Wenn man die Abstimmungsresultate auf Gemeindeebene betrachtet, erkannt man dass die Initiativen praktisch nur in den grossen Städten Mehrheiten finden konnten – in politisch engagierten Kreisen, die aber kaum mehr den direkten Kontakt zur Landwirtschaft und den Bäuerinnen und Bauern und ein Verständnis für ihren Alltag haben. Hier gibt es offenbar noch viel Bedarf für gegenseitigen Austausch. Obwohl der Abstimmungskampf teilweise erbittert geführt wurde, hat er dennoch auch viele dazu angeregt, sich vertieft mit der Landwirtschaft, ihren Problemen und Anliegen zu beschäftigen.
Auch ohne die extremen Agrar-Initiativen läuft bereits seit Jahren eine zunehmende Ausrichtung der Landwirtschaft auf die Nachhaltigkeit, auch im Bereich Pflanzenschutz. Damit wird auch auf die Wünsche der Konsumentinnen und Konsumenten eingegangen. So ging der Einsatz von Wirkstoffen, die ausschliesslich für die konventionellen Landwirtschaft zugelassen sind, von 2008 bis 2019 um über 40% zurück. Zugleich nahm die verkaufte Menge an Bio-Pflanzenschutzmitteln bereits über diesen längeren Zeitraum deutlich zu.
Im Jahr 2017 lancierte der Bundesrat mit dem Aktionsplan Pflanzenschutzmittel ein ganzes Bündel von Massnahmen, um mögliche Risiken weiter zu reduzieren. Dabei soll den drei Zielen Schutz des Menschen, Schutz der Umwelt und Schutz der Kulturen Rechnung getragen werden. Im April 2021 stellte der Bundesrat zudem einen Massnahmenplan für sauberes Wasser zur Diskussion, der mit neuen Gesetzesbestimmungen den Schutz der Umwelt und der Gewässer vor negativen Auswirkungen des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln und Bioziden sowie vor Nährstoffüberschüssen stärken will. Auch eine beschleunigte Züchtung krankheitsresistenter Sorten als Basis für den integrierten Pflanzenschutz könnte einen zunehmenden Beitrag zur Reduktion des Bedarfs an Pflanzenschutzmitteln ermöglichen, sofern praxistaugliche gesetzliche Grundlagen für innovative Züchtungsverfahren, wie z. B. auch die Genomeditierung, ausgearbeitet werden.
Die Schweizer Landwirtschaft reagierte mit Erleichterung auf die Resultate der Volksabstimmung. Auch in Zukunft bleibt so eine nachhaltige und zugleich produktive lokale bäuerliche Produktion in der Schweiz möglich. Mit dem bereits eingeschlagenen Weg wird auch den Anliegen vieler Stimmbürger entsprochen, die sich für die Agrar-Initiativen ausgesprochen haben. Und letztlich kann jeder und jede täglich beim Einkauf und der Produkte-Auswahl auch über die Ausrichtung der Schweizer Landwirtschaft mitentscheiden. Bemerkenswerterweise liegt der Bio-Markanteil immer noch unter 11%, obwohl sich knapp 40% der Stimmbürger für die Agrar-Initiativen ausgesprochen haben.
Weitere Informationen
- Volksabstimmung vom 13. Juni 2021: Nationale und regionale Ergebnisse, Bundesamt für Statistik BfS
- Bauernfamilien bedanken sich für das Vertrauen, Medienmitteilung der Allianz gegen die extremen Agrar-Initiativen vom 13. Juni 2021
- Vertrauen in regionale Produktion mit Pflanzenschutz, Medienmitteilung BauernUnternehmen, 13. Juni 2021
- Klares NEIN der Stimmbevölkerung: Die Arbeit geht weiter, Medienmitteilung IG Zukunft Pflanzenschutz, 13. Juni 2021
- Nein zu Agrar-Initiativen und CO2-Gesetz: Zwei Schritte vorwärts, ein Schritt zurück auf dem Weg zu einer innovativen und nachhaltigen Schweiz, Medienmitteilung scienceindustries, 13. Juni 2021