Bio-Landwirtschaft kann Klima gefährden
Bio-Produkte sind teurer, aber sie gelten als besonders umweltverträglich. Neue Forschungsresultate zeigen aber, dass eine Umstellung auf Bio-Landwirtschaft die Treibhausgasproduktion steigern kann. Eine ganzheitliche Sichtweise ist bei der Beurteilung landwirtschaftlicher Systeme wichtig.
Es wird geschätzt, dass der weltweite Anteil der Landwirtschaft an der Treibhausgas-Produktion knapp ein Viertel beträgt. Die Bio-Landwirtschaft verzichtet auf manche chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und auf Kunstdünger, sie strebt geschlossene Kreisläufe und eine Produktion im Einklang mit der Natur an. Sie kann lokal den Einsatz von Agrochemikalien reduzieren, die Biodiversität auf dem Acker steigern, und auch die Einlagerung von Kohlenstoff als organische Materie im Boden fördern. Dadurch wird das Treibhausgas Kohlendioxid gebunden. Auch bei der Produktion und Verwendung der Düngemittel für die Bio-Landwirtschaft fallen weniger der Klima-Killer Kohlendioxid und Lachgas an. Würde eine komplette Umstellung der lokalen Landwirtschaft auf Bio-Produktion eine Entlastung für das Klima bringen?
Britische Forscher zeigen jetzt, dass dies nicht unbedingt der Fall ist. Wenn die komplette Landwirtschaft in England und in Wales auf Bio umgestellt würde, würde dies global gesehen sogar zu einer deutlichen Steigerung der Treibhausgasproduktion führen. Grund dafür ist die geringere Produktivität der Bio-Landwirtschaft. Ein Teil der zur Versorgung der Bevölkerung erforderlichen landwirtschaftlichen Produktion müsste daher in das Ausland verlagert werden, und würde dort die Entstehung von Treibhausgasen verursachen.
Zwar könnte eine Bio-Umstellung den Treibhausgas-Ausstoss der englischen und walisischen Landwirtschaft um 6% reduzieren (-20% für Ackerkulturen, -4% für die Viehwirtschaft), und damit lokal Vorteile bringen. Die Forscher gehen allerdings davon aus, dass die Bio-Landwirtschaft auf der gegebenen Agrarfläche etwa 40% weniger Lebensmittel produzieren kann als das konventionelle System, auch wegen dem Verzicht auf viele Pflanzenschutzmittel. Sie berücksichtigen dabei, dass in der Fruchtfolge der Bio-Landwirtschaft regelmässig auch nicht direkt für die Ernährung geeignete Zwischenfrüchte (Gräser, Leguminosen) angebaut werden, um die Bodenfruchtbarkeit zu erhalten. Dieser System-Faktor wird beim direkten Vergleich der Erträge zwischen Bio- und konventionellen Feldern oft ausgeblendet.
Um den unveränderten Lebensmittelbedarf der Bevölkerung sicherzustellen, müssten daher wesentlich mehr Lebensmittel importiert werden. Die gesamte benötigte Agrarfläche würde durch den Flächenbedarf im Ausland um 50% steigen – und das würde die Treibhausgasproduktion in die Höhe jagen. Bei einem realistischen, mittleren Szenario würde die Treibhausgasproduktion insgesamt um 21% zunehmen. Wenn berücksichtigt wird dass das neu zur Nahrungsproduktion benötigte Land nicht mehr mit Wald aufgeforstet werden kann und dadurch wesentlich weniger zur Bindung von Kohlenstoff in Biomasse beitragen kann, würde die Umstellung auf Bio-Landwirtschaft in England und Wales den Treibhausgas-Ausstoss unter dem Strich um das 1,7-fache erhöhen.
Die Forscher weisen daher darauf hin, dass die Bio-Landwirtschaft durchaus lokal Vorteile z. B. für die Biodiversität bieten kann, aber auch globale Auswirkungen hat, die mit berücksichtigt werden müssen – die Treibhausgase von der Produktion im Ausland machen nicht an der Grenze Stopp und wirken sich ebenso stark lokal aus. Ausserdem stellt sich die Frage, woher das zusätzlich erforderliche Land für die Agrarproduktion kommen soll, ohne Urwälder abholzen und bisherige Naturflächen in Kultur zu nehmen. Ein wohlhabendes Import-Land kann sich durchaus leisten, Agrarprodukte aus dem Ausland zu kaufen, um die lokale Landwirtschaft naturnäher zu gestalten. Global allerdings wäre eine Umstellung auf Bio-Landwirtschaft nicht ohne massive Ausweitung der Agrarflächen oder einen fast vollständigen Verzicht auf Fleisch möglich.
Auch wenn sich die Resultate der Studie auf England und Wales mit einer vergleichsweise intensiven Landwirtschaft beziehen, und daher nicht 1:1 auf die Schweiz übertragen werden können: auch eine Extensivierung durch Reduktion des Pflanzenschutzes oder eine Bio-Umstellung der Landwirtschaft in der Schweiz führt zu niedrigeren Erträgen, und damit zwangsläufig auch zu mehr Importen. Die nachteiligen Folgen für das Klima sind inklusive.
Weitere Informationen
- Laurence G. Smith et al. 2019, The greenhouse gas impacts of converting food production in England and Wales to organic methods, Nature Communications volume 10, Article number: 4641 (22.10.2019)