Feldbau: deutlicher Abwärtstrend bei Pflanzenschutzmittel-Risiken für Gewässer
Der 2017 verabschiedete Aktionsplan Pflanzenschutzmittel strebt eine deutliche Reduktion der Risiken durch Pflanzenschutzmittel (PSM) an. Felddaten aus der Schweizer Landwirtschaft zeigen jetzt, dass das Risikopotential für Gewässer durch den Eintrag von Pflanzenschutzmitteln aus dem Feldbau in den letzten Jahren bereits deutlich zurückgegangen ist. Das berichtet eine neue Studie von Agroscope.
Eine produktive Landwirtschaft ist auf einen wirksamen Pflanzenschutz angewiesen, zu dem auch Pflanzenschutzmittel beitragen. Pflanzenschutzmittel können aber nachteilige Auswirkungen auf Umwelt oder Gesundheit haben. Um die möglichen Risiken zu reduzieren, ohne die landwirtschaftliche Produktion auf unakzeptable Weise einzuschränken, hatte der Bundesrat 2017 den Aktionsplan zur Risikoreduktion und nachhaltigen Anwendung von Pflanzenschutzmitteln
verabschiedet. Zahlreiche Massnahmen in verschiedenen Bereichen sollen dabei helfen, Pflanzenschutzmittel noch gezielter anzuwenden und unnötige Risiken zu vermeiden. Dabei wird angestrebt, die gesamten Risiken durch Pflanzenschutzmittel bis 2027 zu halbieren. Eine neue Studie von Agroscope beleuchtet jetzt einen wichtigen Bereich: mögliche Gewässerrisiken von Pflanzenschutzmitteln aus dem Feldbau. Der Feldbau mit den grossen Kulturen wie Getreide, Kartoffeln, Rüben, Raps einschliesslich Wiesen und Weiden umfasst über 80 % der landwirtschaftlichen Nutzfläche der Schweiz, und benötigt mehr als die Hälfte der insgesamt eingesetzten Pflanzenschutzmittel. Um die Analysen auf andere Landwirtschaftsbereiche, wie den Obst- und Gemüsebau, auszuweiten, liegen aktuell noch nicht ausreichende Daten vor.
Die in der Schweiz verkauften Mengen der Pflanzenschutzmittel werden vom Bundesamt für Landwirtschaft BLW erhoben, sie sind seit Jahren rückläufig (aktuelle Statistik des BLW). Diese Zahlen erlauben allerdings keinen Rückschluss, in welchen Bereichen diese Mittel eingesetzt werden, und wie gross das dabei entstehende Risiko z. B. für Wasserlebewesen ist. Um einen differenzierteren Einblick in die Entwicklungen zu erhalten, griffen die Agroscope-Forschenden auf Daten der zentralen Auswertung der Agrarumweltindikatoren (ZA-AUI) für die Jahre von 2009 – 2018 zurück. Dafür liefern mehrere hundert Landwirtschaftsbetriebe aus der ganzen Schweiz detaillierte Informationen anhand ihrer Feldkalendereinträge. Darin werden für jedes Feld die verwendeten Pflanzenschutzmittel, Anwendungsmengen und Datum der Anwendung sowie die angebauten Kulturen erfasst. Aus diesen Daten lassen sich die in der Schweiz pro Fläche für die verschiedenen Kulturen verwendeten PSM hochrechnen, die flächengewichtete Wirkstoffmenge.
Um Aussagen zu dem Risiko für Gewässer und dessen Entwicklung machen zu können, wurde das Risikopotential für Oberflächengewässer mit Hilfe des Modells SYNOPS berechnet. Dabei wird für jede Pflanzenschutzmittelanwendung aus dem analysierten Datensatz berechnet, wieviel des Wirkstoffs durch Abdrift, Abschwemmung, Erosion und Drainage in Gewässer gelangen könnte. Bei den Berechnungen wird auch berücksichtigt, dass die Anwendungsauflagen für viele PSM über die Jahre immer strenger geworden sind. So gibt es inzwischen bei der Anwendung je nach Produkt Abstandsauflagen von bis zu 100 m zu Gewässern, um ein Risiko durch Abdrift und Abschwemmung zu minimieren. Die so modellierten Konzentrationen von PSM im Gewässer werden dann mit der aus Laborversuchen bekannten Empfindlichkeit einer ganzen Reihe von Wasserorganismen (Tiere und Pflanzen) abgeglichen, um so ein mögliches akutes und chronisches Risiko zu berechnen. Dabei wurde auch Wirkungen von Mischungen von PSM, die gleichzeitig angewendet werden, berücksichtigt.
Positive Entwicklung bei Mengen und Risiken von Pflanzenschutzmitteln im Feldbau
Bei der in den verschiedenen Kulturen eingesetzten gesamten Wirkstoffmenge zeigt sich für Herbizide (Unkrautvertilger) ein Rückgang von 476 t (2012) auf 328 t (2018; – 31 %). Mengenmässig fielen Fungizide etwas weniger ins Gewicht, hier nahmen die eingesetzten Mengen von 146 t (2009) um 27 % auf 107 t (2018) ab. Die schutzbedürftigste Kultur dabei sind Kartoffeln, für die mehr als die Hälfte der Fungizide eingesetzt werden. Die hochwirksamen Insektizide machen von der Wirkstoffmenge her den geringsten Anteil an den ausgebrachten PSM aus, und ein Grossteil davon entfällt auf Paraffinöl im Kartoffelbau mit jährlich schwankenden Mengen. Die übrigen Insektizide im Feldbau reduzierten sich von 10.8 t (2012) auf 4 t (2018), was einem Rückgang von 63 % entspricht.
Für die Umweltwirkung der Pflanzenschutzmittel ist nicht deren reine ausgebrachte Menge, sondern das tatsächliche Risikopotential, z. B. beim Eintrag in Gewässer, viel relevanter. Die Agroscope-Zahlen zeigen, dass sich hier die Reihenfolge der Wirkstoffklassen ändert: die mengenmässig dominierenden Herbizide tragen auch einen Grossteil zum Risikopotential für Gewässer bei, gefolgt von den Insektiziden (ca. 5 % des Gesamtrisikos) und den Fungiziden (ca. 1.5 %). Bei den Herbiziden traten die höchsten flächengewichteten Risikopotentiale bei Mais, Raps und Wintergerste auf, bei den Insektiziden dominierten Anwendungen zum Schutz von Raps, und bei den Herbiziden Winterweizen und Wintergerste. Die Analyse der Zahlen zeigt deutlich, dass neben Änderungen der eingesetzten Wirkstoffe und ihrer absoluten Aufwandmengen die Anwendungsauflagen bei der PSM-Zulassung eine wichtige Rolle für das Risikopotential spielen. Seit 2009 wurden immer strengere Abstandsauflagen verfügt, um den PSM-Eintrag in Gewässer zu reduzieren. Bei Raps-Insektiziden waren etwa 15 % der Anwendungen im Jahr 2009 von Abstandsauflagen betroffen, 2015 waren es 85 % – ein Teil davon mit Abstandsvorschriften zu Gewässern von 100 m.
Ein wichtiges Ziel des Aktionsplan Pflanzenschutzmittel ist es, bis 2027 das Risikopotential für Oberflächengewässer durch PSM um 50 % zu reduzieren, als Vergleichsgrösse dafür zählt das durchschnittliche Risikopotential der Jahre 2012 bis 2015. Unter Berücksichtigung der Abstandsauflagen konnte bis zum Jahr 2018, dem letzten Jahr für das vollständige Daten vorliegen, für den Feldbau bereits eine Reduktion des Risikopotentials der Herbizide um 28 %, der Fungizide um 17 % und der Insektizide um 19 % im Vergleich zum Referenzwert erreicht werden. Der Trend der Risikoabnahme zeigt daher eindeutig in die richtige Richtung. Die Agroscope-Studie ergibt zahlreiche Ansatzpunkte, um die Risikoreduktion weiter voranzutreiben. Dazu gehören Anwendungs-Vorschriften bei der PSM-Zulassung, um möglicherweise riskante Anwendungen zu vermeiden, aber auch die Identifikation von Wirkstoffen mit unterschiedlichen Risikopotentialen und die Beobachtung, dass es grosse Schwankungen bei der PSM-Anwendung zwischen einzelnen Betrieben gibt. Mit diesen Erkenntnissen können noch gezielter Strategien für eine weitere Reduktion des Risikopotentials entwickelt werden.
Weitere Informationen
- Laura de Baan et al. 2020, Pflanzenschutzmittel im Feldbau: Einsatz und Gewässerrisiken von 2009 bis 2018, Agrarforschung Schweiz 11:162–174
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Forschung: Weniger Pflanzenschutzmittel eingesetzt, Schweizer Bauer, 14.08.2020